Mit einer Dehlya 25 über den englischen Kanal - Ein Reisebericht

Nach diversen Törns auf der Ostsee, binnen und in Holland, wollte Olaf Quast es in diesem Jahr dann wissen: Mit der Australia, einer Dehlya 25 über den englischen Kanal!

Daten und Fakten 

Schiff: Segelyacht Dehler Dehlya 25 „Australia“ Bj. 1994

Schiffsführer und Eigner: Olaf Quast

Co-Skipper: Johannes Vollmer

Funker: Johannes Vollmer / Olaf Quast

Fotos, Daten: Olaf Quast / Johannes Vollmer

Törnzeitraum: 10.-18. Juni 2018

 

Johannes versorgte mich mit Reeds, britischen Seekarten und dem North Sea Passage Pilot, so dass ich im Winter 2017/2018 mit der Törnplanung begann. GMT, MESZ, LT,  UTC, Springtide, Travelreport, TSS, Stromversatz, Stromdreieck und weitere Begrifflichkeiten zeigten mir deutlich, dass es sich hierbei nicht umsonst um eines der anspruchsvollsten Segelreviere der Welt handelt. Eine gute Vorbereitung, ein technisch einwandfreies Schiff und gute Seemannschaft sollten also schon vorhanden sein, um zu starten. 

Anfang Mai stellte ich Johannes als „alte Kanalratte“ ( sorry, Hans!) meine komplette Törnplanung vor. Yeah, alles richtig gemacht! 

Wir hatten insgesamt 9 Tage eingeplant, hier unser Törnverlauf:

 

Sonntag: 10. Juni 2018: Nach der Abfahrt in Paderborn morgens um 8 Uhr führte uns der Weg durch das Ruhrgebiet, an Venlo und  Antwerpen vorbei nach Nieuwpoort in Belgien.  Dortige Ankunft 16:00 Uhr. Herrliches Sommerwetter begleitete uns beim Aufrigggen des Bootes auf dem Trailer. So genossen wir anschließend das gute und sehr leckere belgische Bier im Restaurantbereich der VVW Marina, bevor es in die Koje ging. 

Montag: 11. Juni 2018: Krantermin um 9:00 Uhr. Ablassen des Hubkiels, Montage des Ruders im hängenden Kran und vor allem die Fahrt mit einer abenteuerlichen Konstruktion per Radlader in das Hafenbecken von Nieuwpoort über die Sliprampe führten zu einer gesunden Gesichtsfarbe des Eigners.

Das Verholen in die Box mit anschließender Sicherheitsüberprüfung der Yacht und der Ausrüstung hakten wir als Routineangelegenheit ab, bevor wir um 13:30 Uhr mit Kurs Dünkirchen/Frankreich ablegten. Die Seewettervorhersage sagte 4-5 Bft aus SW voraus, Welle 1,20m. 

Nach Verlassen der Hafeneinfahrt setzten wir das Groß im 1. Reff und anschließend die Fock. Rasch nahm das Schiff Fahrt auf, doch trotz des mitlaufenden Stroms setzte bei Wind gegen Strom eine unangenehme und teils harte Welle ein.  Kein Wunder, denn das Fahrwasser führte uns zwischen den flämischen Bänken in unmittelbarer Strandnähe hindurch.  Steuerfehler? Bloß nicht! 

Nach 20 sm erreichten wir sicher die Marina in Dünkirchen, willkommen in Frankreich!

 

Dienstag, 12. Juni 2018: Der große Tag war da, meine erste Kanalüberquerung sollte heute stattfinden. 

Herrlich, in aller Frühe aufzustehen, damit die Berechnungsergebnisse der Stromverhältnisse auch in die Tat umgesetzt werden können… . Ablegen um 06:45 Uhr, Ziel Dover, ich hatte doch eigentlich Urlaub! 

Der Wetterbericht sagte 4-5 Bft aus S-SW voraus, und erneut stampfte die „Australia“ durch die Wellen, Kurs England. Mit 1. Reff im Groß und Setzen der Fock nahm sie schnell Fahrt auf. Nach Passieren der Tonne „Dyck“ meldete ich mich vor Einfahrt in das TSS via Funk bei Dover Coastguard, um einen Travel Report abzugeben. Die sehr nette und geduldige britische Funkerin fragte und fragte und brachte mich mit meinem Schulenglisch an den Rand der Verzweiflung, während Johannes an der Pinne saß und sichtlich Spaß hatte („ name of the vessel – call sign - -MMSI – sorry, we are overspoken, say again please – description oft the vessel – how many persons on board – ETA Dover – life saving equipment – thank you very much, have a save crossing...“).  Dann erfolgte die Querung des TSS  „heading at right angles“. Was ist das? Nun, da wir rund eine Tide benötigten, reichte ein einfacher Strich als Kurs auf der Seekarte nicht aus. Es wird eine „Zickzack-Kurve gefahren, um auf der einen Seite die Tide mitzunehmen, auf der anderen Seite den geltenden Verkehrsvorschriften Genüge zu tun. Wir segelten erst mit dem Strom nach Westen Richtung Dyck, gingen dann von 270° auf 330° zum Queren des TSS, liefen ca. 300° KüG, um dann wieder mit dem letzten Strom mit 270° Dover bei Stillwasser zu erreichen.

 Kompliziert? Funktioniert bestens! 

Eine spannende und herausfordernde Angelegenheit für jede Crew. Peilung der Berufsschifffahrt mit dem Fernglas, Kontrolle des Passierabstandes via AIS, Beibehaltung der Rechtvorausrichtung und Steuern des Schiffes forderten uns beide. Bei mitlaufendem Strom und den vorherrschenden Wetterbedingungen segelten wir oftmals mit 6-6,5 kn FdW, während die GPS Geräte 8,5 kn SOG anzeigten. Super! Dehler läuft! 

Endlich tauchten langsam am Horizont die berühmten Kreidefelsen von Dover auf. Eine halbe Seemeile vor der Hafeneinfahrt bargen wir die Segel und warteten auf die Erlaubnis via Funk in den Hafen einlaufen zu dürfen. Es herrschte zu diesem Zeitpunkt reger Fährverkehr, so dass wir uns zwischen der Eastern und Western Entrance unter Motor aufhielten, um der Berufsschifffahrt aus dem Weg zu gehen. Dover Port Control meldete sich und erteilte die notwendige Einfahrtgenehmigung, nachdem wir zwei Fähren auslaufen lassen mussten und bei gut 1,50 m Welle ordentlich durchgeschüttelt wurden.  Die Ampel an der Hafeneinfahrt wechselte auf grün und mit Vollgas fuhren wir in den Vorhafen von Dover. Die Marina Dover  erreichten wir ebenfalls über Funk und erhielten problemlos einen schönen Liegeplatz.  Fest Dover: 15:00 Uhr, Distanz 44 sm. 

Wir waren in England! Stolz setzte ich die Red Ensign unter der Saling und feierte die Überquerung des Kanals zusammen mit Johannes und englischem Bier. 

 

Mittwoch, 13. Juni 2018: Ziel Ramsgate. Ablegen um 10:30Uhr, um die Stromverhältnisse nutzen zukönnen3-4 Bft aus SW lt. Vorhersage mit strahlendem SonnenscheinKlasse. 

Außen um die Goodwin Sands herum führte uns die Route am bekannten und berühmten Feuerschiff „East Goodwin“ vorbei, das in seinem Rot wunderbar zum Blau des Himmels im Kontrast stand. Die letzten 10 sm segelten wir unter Vollzeug nach Ramsgate, die Einfahrt nach vorheriger Genehmigung über Ramsgate Port Control erfolgte problemlos. 29 sm lagen im Kielwasser unseres Kleinkreuzers, und das Ziel der Reise war erreicht. Ein ordentlicher Anleger gehörte dazu, bevor wir am Abend den Royal Temple Yacht Club besuchten. Very british!

Der Eintrag in das Gästebuch erfüllte mich doch mit Stolz, auch den Vorjahreseintrag von Johannes fanden wir wieder. 

 

Donnerstag, 14. Juni 2018:Hafentag. Verbracht mit bummeln und sightseeing  sowie Besuch der R.N.L.I mit ihrem  Shop und Erholung an Bord. 

 

Freitag, 15. Juni 2018: Wettervorhersage 3-4 Bft aus SW, optimale Bedingungen zur Querung des englischen Kanals mit Ziel Dünkirchen. 

Unter Vollzeug und mit einem SOG bis 8 kn lief meine Dehlya 25 dem Kontinent entgegen. Die Querung des TSS sorgte anfangs für Erstaunen bei uns, keine „großen Pötte“ in Sicht! Dieses sollte sich aber schnell ändern. 

Tauchte vom Atlantik kommend doch der erste Containerriese am Horizont auf. Das AIS blieb still, der Abstand belief sich noch auf mehr als 5 sm. Trotzdem konnte das Schiff deutlich ausgemacht werden. Fernglas und peilen, Peilung steht, sch…e! Der errechnete Passierabstand betrug eine Kabellänge.  Hm, arg wenig wenn man bedenkt, dass sich unser „Gegner“ mit 19 kn und über 200 m Länge näherte! So luvten wir an und beobachteten weiterhin unseren Gegenspieler. 

Mit einer Distanz von knapp 400 m ließen wir ihn dann vor uns durchlaufen. Gefühlt hatte er meinen Bug um wenige Zentimeter verfehlt… . Alles gutgegangen, abfallen auf den alten Kurs, um den Verkehrsvorschriften Folge zu leisten. Zwei weitere im Versatz fahrende Schiffe führten zu ähnlichen Manövern, langweilig war es zu keiner Zeit! 

So atmeten wir nach Verlassen des TSS erst einmal durch, während die „Australia“ mit uns nach Dünkirchen segelte. Die Querung des englischen Kanals erfolgte schneller als berechnet, so dass der Strom uns erst ca. 30min. später nach Dünkirchen mitnahm. 

Sicher erreichten wir unseren Liegeplatz nach 10 Stunden Überfahrt und 49 sm im Kielwasser. Fest Dünkirchen 16:00 Uhr.

Den Abend verbrachten wir mit einem kleinen Stadtbummel und einem leckeren Abendessen. 

 

Samstag, 15. Juni 2018: Der Wetterbericht sagte 4-7 Bft aus SW voraus, also raumschots Richtung Belgien. Die optimale Abfahrtszeit berechneten wir auf 13:30 Uhr, angesichts des zunehmenden Windes legten wir eine Stunde eher ab, um nach Möglichkeit  nicht bei 7er Böen durch die Flämischen Bänke segeln zu müssen. 

Im Hafen pfiffen bereits die Wanten, also mind. 5 Bft, nicht gut!  Nach Verlassen der Hafeneinfahrt erwarteten uns hohe Wellen mit weißer Schaumkrone. Oh, oh, oh! Wir fielen nach Osten ab und setzten die Fock. Genau wie angenommen erlebten wir eine anstrengende Überfahrt des letzten Törnabschnittes. Exaktes Navigieren im Fahrwasser zwischen den Bänken mit zunehmender Welle, Strom und achterlichem Wind erforderten einen sehr konzentrierten und aufmerksamen Steuermann. Mehrfach hob uns die Welle von achtern kommend das Heck an, so dass wir beim Surfen auf der Welle tunlichst darauf achteten, bloß nicht quer zu schlagen. Trotz reiner Fockbesegelung machten wir rund 5 kn FdW.

Bei Einsetzen des mitlaufenden Stroms beruhigte sich die Welle etwas, so dass die Anspannung von uns wich und wir beide durchatmen konnten. Sicher erreichten wir Nieuwpoort. Das Anlegemanöver gestaltete sich als schwierig, da uns Starkwind im vollgepackten Hafen zu schaffen machte. Im zweiten Versuch gelang es dann aber, die Yacht sicher am Steg festzumachen. 

 

Durchatmen, Rettungsweste und Ölzeug aus, wir waren heile zurück! Das musste gefeiert werden, und so ließen wir uns ein leckeres Bordessen schmecken. O.k., das eine oder andere Kaltgetränk musste daran glauben… .

 

Sonntag, 16. Juni 2018: Hafentag. Besichtigung Yperns mit der Tuchhalle, heute Flandern Fields Museum, sowie des deutschen Soldatenfriedhofes Langemark mit 45.000 Toten aus dem 1. Weltkrieg. Unfassbar, was unsere Vorfahren erlebt haben mussten.  

Montag, 17. Juni 2018: Morgens um 08:30 Uhr Krantermin bei ablaufendem Wasser. Doch weit und breit niemand zu sehen.  Meinen Kleinkreuzer mit Hubkiel möchte ich nicht mit einer Grundberührung erleben.  Johannes funkte den Hafenmeister der Marina VVW an und so erfuhren wir, dass sich die Hafenarbeiter verspäten würden.  Ein Ungetüm von 50 t Kran bewegte sich im Schneckentempo auf die Übernahmestelle zu! Alles ging gut, und so benötigten wir noch 2 Stunden, um das Schiff für die Rückfahrt transportfähig zu machen.  Nach gut 8-stündiger Fahrt erreichten wir unsere Heimatstadt Paderborn.

Somit endete dieser Törn. Exakt 160 sm lagen hinter uns. Wir hatten es geschafft! Mit einer Dehlya 25 über den englischen Kanal!

Es war für mich die erste Überquerung und ich werde sicherlich noch einige Zeit brauchen, um das Erlebte zu begreifen und mir bewusst zu machen, dass kein normaler Törn hinter uns lag. 

In einer Zeit immer größerer Yachten und deren äußerst komfortablen Ausrüstung ist es ungleich einfacher, eine solche Reise zu wagen. Ich bin daher stolz darauf,  auch mit einem nur 25 Fuß großen Boot diese Tour unternommen zu haben. 

Mein Dank gilt auch Johannes, der mir immer mit Rat und Tat, viel Spaß, aber auch mit der nötigen Ernsthaftigkeit zur Seite stand. Toll ist es, dass wir viele Dinge und Abläufe bei unseren Törns gar nicht mehr besprechen müssen, es läuft einfach!

Es hat riesig Spaß gemacht!

Olaf  Quast

Vielen Dank an Olaf Quast für diesen tollen Törnbericht! 

 

 

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